Bitcoin-Enthusiasten grenzen sich gern gegenüber traditionellen staatlichen Währungen und Aktien ab. Diese seien zu zentralistisch kontrolliert und tendenziell inflationär. Sie vergleichen ihre Digitalwährung lieber mit dem Edelmetall Gold, denn die Menge an Bitcoin sei wie jene von Gold begrenzt und daher immun gegen Inflation. Damit lenken sie aber von einem wesentlichen Unterschied zwischen Bitcoin und allen anderen Investitionsklassen ab.
Daher sollte man sich die Mechanismen oder Wirkungskreise ansehen, welche einem Vermögensgegenstand Wert zuweisen und damit einen Preis auf dem Markt produzieren. Im Fall von Aktien und Gold sind das zwei Kreise: Erstens, die Investoren an den Börsen dieser Welt. Sie kaufen entweder in der Erwartung steigender Preise oder auf Dividenden hoffend. Solche mit gegenteiligen Erwartungen verkaufen. Klassische Nachfrage-Angebot-Dynamik ist die Folge. Weil diese Dynamik immer wieder mal aus dem Ruder läuft, erscheint das wie im Casino.
Der zweite Kreis wirkt rund um die Firmen hinter den Aktien. Sie produzieren etwas, wofür Kunden Geld bezahlen, was hoffentlich Gewinne abwirft. Dieser zweite Kreis arbeitet unabhängig vom ersten, ist aber mit ihm verbunden, indem er jene Fundamentaldaten kreiert, welche die Erwartungen der Investoren beeinflussen und vor allem, weil er für die Dividenden der Aktien sorgt.
Ein Blick hinter die Bitcoin-Kulissen
Und Bitcoin? Der erste Kreis ist ähnlich zu jenem bei Aktien, wie ein Casino eben. Der zweite Kreis aber fehlt völlig. Auch für staatliche Währungen und für Gold existiert dieser zweite Kreis, wenn auch in anderer Form. Gold etwa wird fast zur Hälfte zu Schmuck verarbeitet, in dessen Glanz sich Menschen aller Kulturen gerne zeigen. Hinter Bitcoin stehen keine Firmen, die etwas produzieren und damit Dividenden oder sonstigen Wert abwerfen könnten.
Bisher sorgten vor allem Drogendealer, Geldwäscher und Erpresser für einen steten Zustrom von neuem Geld in den Bitcoin-Sektor. Offenbar reicht dies nicht mehr aus. Vor allem aber wollen die Bitcoin-Enthusiasten weg von dem Schmuddel-Image. Und hier kommen die etablierten Börsen und Fondsanbieter ins Spiel. Blackrock etwa, der weltgrößte Vermögensverwalter, kündigte jüngst einen passiven Indexfonds (ETF) mit Bitcoin an.
Blackrock hält zudem seit 2021 jeweils gut 5 Prozent an Riot Platforms, deren Kurs damals über 30 Dollar stand, aber 2023 nur noch auf 13 Dollar sowie an Marathon Digital Holdings, deren Kursentwicklung ähnlich negativ verlief. Beide Unternehmen sind Bitcoin-Mining-Firmen, produzieren also Bitcoin. Der Wert dieser Investitionen hat sich bestenfalls halbiert, was als Verlust für einen 9 Billionen Dollar schweren Vermögensverwalter kaum spürbar ist. Aber verlieren sind solche Finanzgiganten nicht gewohnt. Blackrocks Bitcoin-ETF würde da nicht nur dem Bitcoin-Kurs helfen, sondern auch der Ertragslage und damit den Kursen der Mining-Unternehmen einen gewaltigen Schub verpassen.
Bitcoin-Enthusiasten verwehren sich gegen die Charakterisierung als betrügerisches Schneeballsystem. Schließlich sei alles vollständig transparent, dezentral und kein Vertrauen in einen zentralen Akteur nötig. Kein Betrüger könne sich mit dem eingesammelten Geld davonstehlen. Irgendwann aber werden die bei Blackrock investierten Pensionsfonds Renten auszahlen müssen und merken, dass sie dies nur tun können, wenn sie die Bitcoin wieder in staatliche Währungen zurücktauschen. Denn die Pensionäre können mit den Bitcoin keine Rechnungen bezahlen. Erste Kursverluste werden dann den Zusammenbruch wie bei einem Bankensturm einleiten.
Allerdings scheinen die US-amerikanischen Regulierungsbehörden diese Gefahr zu sehen und fordern totale Kontrolle über die Hinterlegung mit Bitcoin und letztlich Dollar. Die Bitcoin-Erfinder wollten die zentralen Behörden, Intermediäre wie Blackrock und den Dollar hinwegfegen. Stattdessen übernehmen die Repräsentanten des alten Finanzsystems die Digitalwährung. Die SEC zögert mit der Zulassung, weil sie Kryptowährungen zu stark Manipulationen ausgesetzt sieht. Die Zulassung selbst würde aber natürlich den Kurs in gewaltigem Ausmaß in die Höhe manipulieren.
Solch komplementäre, also sich gegenseitig befruchtende Investitionen, wie sie Blackrock hier vorführt, sind normale Praxis und durchaus legitim, zumindest solange der Kuchen für alle wächst. Risikokapitalgeber investieren etwa gezielt in mehrere Firmen eines Sektors, nicht nur um ihr Wissen über eine Branche mehrfach auszunutzen, sondern weil sich dadurch nicht nur einzelne Firmen, sondern der ganze Sektor entwickelt, wovon alle profitieren. Ein Positiv-Summen-Spiel. Bitcoin dagegen ist ein Negativ-Summen-Spiel. Daher werden einzelne, wahrscheinlich viele kleine Investoren den Kuchen zwar bezahlen, aber kein Stück davon abbekommen.
Johannes M. Lehner ist Professor am Institut für Organisation an der Johannes Kepler Universität Linz und forscht unter anderem zu komplementären Investitionen von Risikokapitalgebern.
Author: Lisa Butler
Last Updated: 1704356403
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