Joseph Safra – ein Bankier wie aus einer anderen Zeit. Ein Nachruf
Joseph Safra war einer der mächtigsten und reichsten Banker weltweit. Von Brasilien aus hat der gebürtige Libanese mit jüdischen Wurzeln sein Imperium aufgebaut und bis zuletzt geführt. In Brasilien selbst trat er kaum in Erscheinung. Jetzt ist er dort 82-jährig gestorben.
Er war der letzte einer Generation brasilianischer Bankiers, die über Jahrzehnte den Finanzsektor des Landes aufgebaut und kontrolliert haben. Doch wie die Gründer der Bankhäuser Itaú, Unibanco und Bradesco vor ihm ist nun auch Joseph Safra gestorben, mit 82 Jahren. Mit einem geschätzten Vermögen von gut 23 Mrd. $ war Safra der reichste Brasilianer und stand weltweit auf Platz 37 der Forbes-Liste der Milliardäre.
Obwohl er sich krankheitsbedingt schon länger aus dem aktiven Bankgeschäft zurückgezogen hatte und viel Zeit in der Schweiz verbrachte, hat er die Kontrolle über seine Bank offiziell nie an seine vier Kinder übergeben. Er konnte in den letzten Jahren sogar noch den Reichtum und Einfluss seiner Bank mehren. Vor zwei Jahren überholte er erstmals den bis dato reichsten Brasilianer, Jorge Paulo Lehman, den einstigen Investmentbanker mit Schweizer Wurzeln, der nach seiner Finanzkarriere mit Brauereien und Lebensmittelkonzernen reich geworden ist.
Diskret und zurückgezogen
In Brasilien liess sich Joseph von Freunden mit José anreden. Er war diskret, gab keine Interviews, zeigte sich nie mit Politikern oder auf den Partys der Elite Brasiliens. «Ich habe Angst, missverstanden zu werden», sagte er. Er besitzt zwar in São Paulos Nobelgegend Morumbi eine gigantische Stadtvilla mit 140 Zimmern, sechs Aufzügen und einem Hubschrauberlandeplatz. Doch er lebte zurückgezogen. Er spendete für jüdische Einrichtungen, sammelte Kunst und Bücher. Dem Israel Museum in Jerusalem stiftete er Albert Einsteins Originalmanuskript zur Relativitätstheorie.
Tochter Esther leitet die von den Safras in São Paulo gegründete und unterstützte Privatschule Beit Jaacov. Die Schule wird zunehmend einflussreicher in der jüdischen Gemeinschaft der Stadt. Auch den Bau der gleichnamigen Synagoge haben die Safras finanziert.
In Brasilien war Joseph Safra schon zu Lebzeiten eine Legende. Tatsächlich stammte er wie aus einer anderen Zeit und Welt: Joseph Safra kam 1938 in Beirut als eines von acht Kindern zur Welt. Sein Vater Jacob hatte in Syriens Handelsstadt Aleppo zuvor die Jacob Safra Maison de Banque gegründet. Mit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 und der Verschärfung der Konflikte zwischen Juden und Palästinensern beschloss die Familie Safra, den Nahen Osten zu verlassen. Brasilien wurde ihr Ziel, Zufluchtsort für viele Juden und Araber, die Jacob überzeugten, dass es dort «ruhiger» zugehe. Was nur teilweise zutreffen sollte.
Mit seinem Vater Jacob und zwei Brüdern gründete Joseph in den fünfziger Jahren in Brasilien den Banco Safra. Während sich Joseph und Moise vor allem um Brasilien kümmerten, baute Edmond, der Älteste, in Europa und den USA ein weltweites Bankenimperium auf. Auf ihn wurde die internationale Finanzgemeinde zuerst aufmerksam.
Mysteriöser Todesfall
1999 verkaufte Edmond sowohl die in Luxemburg ansässige Safra Republic Holding sowie die Republic National Bank of New York für 10 Mrd. $ an die HSBC. Diese avancierte dank dem damit übernommenen Schweizer Geschäft auf einen Schlag zur grössten Auslandsbank in der Schweiz. Was die HSBC im Nachhinein teuer zu stehen kam: 2016 musste sie als Spätfolge dieser beiden Akquisitionen 3,2 Mrd. $ auf dubiosen Konten abschreiben.
Ob Edmond Safra etwas von den angeblichen Konten von Waffenhändlern, Geldwäschern und Terroristen wusste? Das lässt sich nicht mehr feststellen. Er kam kurz nach dem Verkauf an HSBC unter bis heute nicht vollumfänglich geklärten Umständen vor 21 Jahren in seiner Villa in Monaco ums Leben. Er soll bei einem von seinem Leibwächter gelegten Zimmerbrand erstickt sein.
Nach dem Tod Edmonds nahm Joseph die Zügel in die Hand und brachte von Brasilien aus die weltweite Safra-Gruppe unter seine Kontrolle. Dazu bedurfte es einer Einigung mit der Witwe Edmonds, die als Erbin einer Supermarktkette die reichste Frau Brasiliens war. Er zahlte 2006 zudem seinen Bruder Moise aus – nach einem langen, verbissen geführten Streit.
Starke Basis in der Schweiz
In der Schweiz übernahm er 2012 die Privatbank Sarasin, die heute unter dem Namen J. Safra Sarasin zu den grössten Schweizer Privatbanken zählt. Mit dieser Akquisition wollte Safra zu einem weltweit agierenden Vermögensverwalter werden und vor allem seinen brasilianischen Kunden in der Schweiz den Zugang zu den wachsenden Finanzmärkten in Fernost eröffnen – dort war Safra schwach vertreten.
Ob er mit der Investition in der Schweiz zufrieden war? Der jahrelange Streit um die Cum-Ex-Geschäfte Sarasins in Deutschland belasten den Ruf der Bank, obwohl die umstrittenen Geschäfte mit ungerechtfertigten Steuergutschriften grösstenteils wohl vor Safras Einstieg stattgefunden haben. Vor vier Jahren gab die Schweizerische Bundesanwaltschaft bekannt, dass sie bei der Untersuchung im Korruptions- und Geldwäschereiskandal um die beiden brasilianischen Konzerne Petrobras und Odebrecht auch gegen die in Basel ansässige Privatbank ermitteln würde.
In Brasilien war Banco Safra bis dahin nicht als Kreditgeber an die in die Korruptionsskandale verstrickten Konzerne aufgefallen. Joseph Safra war bekannt für seine restriktive Kreditvergabe und seine Distanz zur Politik. Er habe Kredite nur an Kunden vergeben, die sie wirklich nicht brauchten, heisst es in São Paulos Bankkreisen.
Streit unter Brüdern
Vergangenes Jahr sorgte der Bruderzwist unter seinen Söhnen für Schlagzeilen. Der zweitälteste Sohn Alberto schied in der Folge aus dem Verwaltungsrat aus. Der jüngste Bruder hat inzwischen die Führung in Brasilien übernommen. Die beiden Brüder waren sich nicht einig darüber, wie sie die digitale Transformation des Retail Banking, also des Einzelkundengeschäfts, vorantreiben sollten, ohne Filialen zu schliessen. Das brasilianische Nachrichtenmagazin «Veja» berichtete, dass die beiden vor versammelter Mannschaft drohten, handgreiflich zu werden. Der älteste Bruder Jakob ist seit Jahren für das internationale Geschäft zuständig, vor allem für J. Safra Sarasin.
Anders als der Vater tauchten seine Söhne auch gelegentlich in den brasilianischen Glamour-Gazetten auf: Kommt Shakira oder nicht? Diese Frage beschäftigte die Klatschpresse im Juni 2012, als der Safra-Jüngste David heiratete und die kolumbianische Sängerin, die mit dem Brautpaar befreundet sein soll, erwartet wurde. Die 1700 Gäste und die Paparazzi wurden enttäuscht: Shakira kam nicht.
Author: Patricia Rice
Last Updated: 1702514041
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